Die Echte Kamille gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae) und ist die einzige medizinisch anerkannte Kamillenart. Ursprünglich in Süd- und Osteuropa beheimatet, ist sie heute in fast ganz Europa, Nordafrika, Westasien und durch Kultivierung auch in Nord- und Südamerika verbreitet. Sie wächst bevorzugt auf Äckern, Brachflächen und an Wegrändern. Die einjährige Pflanze wächst 10 bis 80 cm hoch, hat einen rundlichen, kahlen, stark verzweigten Stängel und fein gefiederte grüne Blätter. Ihre typischen Blütenköpfchen haben einen Durchmesser von 10 bis 28 mm, tragen weiße Zungenblüten am Rand und goldgelbe Röhrenblüten in der Mitte. Der Blütenboden ist hohl und kegelförmig – ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Hundskamille.
Aus den Blüten entwickeln sich kleine gerippte Früchte. Die Kamille blüht von Mai bis Juli. Zerreibt man die Blüte zwischen den Fingern, verströmt die Echte Kamille ihren charakteristischen, angenehm aromatischen Duft – ein sicheres Unterscheidungsmerkmal zu anderen Kamillearten.
Als eine der ältesten bekannten Arzneipflanzen, wird sie seit Jahrhunderten in der Volksmedizin eingesetzt. Wegen ihrer entzündungshemmenden, krampflösenden und beruhigenden Eigenschaften ist sie sowohl in der Phytotherapie als auch in der Homöopathie etabliert und hochgeschätzt.
Im Mittelpunkt ihres therapeutischen Potenzials stehen ihre Inhaltsstoffe, die sie deutlich von anderen Kamillearten unterscheiden. Hervorzuheben sind
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Matricaria recutita (L.), Chamomilla recutita (L.) |
Familie: |
Korbblütler (Asteraceae, Compositae) |
Unterfamilie/Tribus: |
Asteroideae/Anthemidae |
Synonyme/Trivialnamen: |
Chamomilla/Echte Kamille, Deutsche Kamille, Feldkamille, Mägdeblume, Hermel, Kummerblume |
In der Homöopathie wird Chamomilla vor allem bei Beschwerden eingesetzt, die mit Überempfindlichkeit, krampfhaften Schmerzen und Reizbarkeit einhergehen. Zum Beispiel bei Magen-Darm-Krämpfen, Blähungskoliken, Durchfall, Nervenschmerzen oder Ärger, der sich in der Folge körperlich äußert.
Das homöopathische Mittel Chamomilla wird nach den Vorschriften des Homöopathischen Arzneibuches (HAB) aus der frischen ganzen Pflanze Matricaria recutita L. zur Blütezeit hergestellt und potenziert (verdünnt).
Ein charakteristischer Chamomilla-Zustand lässt sich meist sehr deutlich erkennen – vor allem an der emotionalen Reizbarkeit in Kombination mit körperlichen Beschwerden. Das Arzneimittelbild von Chamomilla ist so markant, dass Homöopathen es oft schon nach wenigen Sätzen der Patientenbeschreibung in Betracht ziehen. Boericke, einer der bedeutendsten Homöopathen seiner Zeit, beschrieb den Chamomilla-Typ als äußerst reizbar, empfindlich, unruhig und benommen. Die Betroffenen sind oft zornig, hysterisch und leiden unter extremer Schmerzempfindlichkeit. Schon leichte Reize können als unerträglich empfunden werden, was zu Aggressivität, Reizbarkeit und Abneigung gegen Berührungen führt.
Besonders bei Kindern ist das Mittelbild oft eindeutig: Sie sind untröstlich, schreien viel, verlangen ständig etwas – nur um es im nächsten Moment wieder abzulehnen. Nichts scheint zu helfen, außer: Herumtragen in Bewegung. Chamomilla eignet sich besonders bei Zahnungsbeschwerden.
Die Echte Kamille hat eine lange Geschichte in der Heilpflanzenkunde.
Im alten Ägypten wurde die Kamille als Blume des Sonnengottes Ra hochgeschätzt. Man verwendete sie für religiöse Rituale, zum Einbalsamieren der Toten, aber auch zur Herstellung von Heilmitteln und Kosmetika. Auch von den Germanen wissen wir, dass ihnen die Kamille heilig war. Sie weihten die Pflanze dem Lichtgott Baldur.
Im antiken Griechenland setzte man die Kamille zur Behandlung von Hautkrankheiten und Geschwüren ein - Anwendungen, die auch heute noch medizinisch anerkannt sind. Claudius Galenus beschrieb ausführlich die Anwendung von Kamillentee, Kamillensitzbädern oder Kamillenumschlägen. Damit sollten Magen-Darm-Krämpfe, Blähungskoliken, Gebärmutter- und Blasenkrämpfe, Entzündungen aller Art und Leberleiden gelindert werden.
Das blaue ätherische Öl der Kamille erwähnt erstmals Saladin von Asculum im Jahr 1488. Die Destillation des Öls beschrieb dann Hieronymus Brunschwig kurz danach im Jahre 1500. Dessen krampflösende Wirkung wurde dann im „New Kreuterbuch“ des Mathiolus (1626) dargestellt.
Bis in die Gegenwart hinein bleibt die Echte Kamille von großem therapeutischem Interesse. Um ihr volles Potenzial in der modernen Therapie noch besser zu nutzen und die bekannten Wirkungen wissenschaftlich zu ergründen, werden weiterhin Studien und Anwendungsbeobachtungen durchgeführt.